Kleinmühlingen l „Irmchen, mach‘ deine Kneipe wieder auf.“ Diesen Ausspruch hört Irmgard Schuchhardt nur allzu oft. Auch jetzt noch, im höheren Alter, wünschen sich viele Kleinmühlinger die alten Zeiten zurück. Damals, als sie noch Wirtin war. Im Kiosk an der Bundesstraße Schönebeck-Calbe, Höhe Abzweig Kleinmühlingen, und in der Gaststätte Dorfkrug. Kurze Zeit zwischendurch auch im Konsum Kleinmühlingen tätig und in der „Grünen Ecke“ in Zens. Immer ist sie mit Leib und Seele dabei gewesen, ebenso ihr Mann. Daran erinnern sich die einstigen Gäste noch heute. Und auch Irmgard Schuchhardt denkt noch gern an diese Zeit zurück. Obgleich diese knapp 30 Jahre her ist.
Heute feiert Irmgard Schuchhardt ihren 90. Geburtstag. Auch wenn die Beine nicht mehr so wollen, wie sie es gern hätte – „im Kopf bin ich noch fit“, sagt sie und strahlt ihren Gegenüber mit einem herzlichen Lächeln an.
Die Jubilarin ist in Danzig geboren und im Juni 1945 vertrieben. In Kleinmühlingen fand sie eine neue Heimat ... und ihre Liebe. Im September 1948 hat sie beim Tanz in Großmühlingen ihren Heinz kennengelernt. Zwei Jahre später haben sie geheiratet. Sie haben fünf Kinder.
Die Familie hat sich weiter vergrößert – nun sind Schwiegerkinder, sieben Enkel und acht Urenkel dazugekommen.
Der Beruf war für Irmgard Schuchhardt immer mehr, eher eine Berufung. Sie ist bis zu ihrem 61. Lebensjahr, 1989, leidenschaftlich gern Gastwirtin gewesen. Die Leute mochten ihre sympathische Art. „Ach, wir haben so viele Familienfeiern ausgerichtet“, erinnert sie sich gern. Der „Dorfkrug“ habe für 80 Personen Platz geboten. „Wir sind die einzigen gewesen, die Feiern ausgerichtet und das Essen dazu auch selbst gemacht haben“, erzählt sie. Oft sei sie mehrere Tage hintereinander arg gefordert gewesen. „Aber absagen wollte ich, wenn möglich, keinem.“
So hatten auch die Kleinmühlinger Kunstradfahrer bei ihr gefeiert, als sie DDR-Meister geworden sind. Als Gast sei Täve Schur dabei gewesen. „Und hat einen riesigen Text mit lobenden Worten ins Gästebuch geschrieben“, weiß sie noch.
Gern erzählt wird im Familienkreis – denn alle waren im Gasthof mit eingebunden und mit Freude bei der Sache – auch von der Silvesterfeier 1979. Plötzlich war Stromsperre. Doch für die 60 Gäste kein Grund zum Gehen. Bis in die frühen Morgenstunden wurde bei Kerzenschein gefeiert.
Das „Irmchen“ – so nannten sehr viele liebevoll – sei nicht nur als Wirtin beliebt gewesen, sondern auch ihre Kochkünste ein Geheimtipp. „Von meiner Soljanka wird heute noch erzählt“, sagt sie und schmunzelt los. Warum? „Da kamen auch die guten Sachen mit rein. Nicht nur Wurst, auch mal Fleisch. Und sie war deftig.“ Beliebt seien auch Leber mit Kartoffelsalat gewesen und ihre Soleier, die in einem großen Glas auf dem Tresen standen.
Und was ist ihr Lieblingsessen? „Stampfkartoffeln mit Buttermilch“, sagt sie und fügt erklärend hinzu: „Das hat es bei uns zu Hause in Danzig oft gegeben.“
Übrigens: Irmgard Schuchhardt lebt seit einigen Jahren bei ihrer Tochter Sabine. Und damit Hauswand an Hauswand mit ihrem Sohn Michael. Im Garten wird heute gefeiert. Und was darf da nicht fehlen? Na klar, Soljanka. Nach der Rezeptur der Jubilarin.