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Mit dem Förderkorb in die Wunderwelt des Salzes

15.06.2018

Beim Heimaträtsel sind die Eisenbahnstrecke nach Halle sowie der einstige Salineschacht gesucht

Die verlorene Zauberwelt des Salzes in Schönebecks Tiefen begeistert noch heute viele Menschen. Sie ist der Hintergrund des Heimaträtsels in dieser Woche.

Von Ulrich Meinhard

Schönebeck l Was dampft denn da durch die Winterlandschaft? Beim Heimaträtsel in dieser Woche ist richtig Bewegung im Bild. Gefragt war: Welche Stelle im Stadtgebiet ist abgebildet? Nur nebenbei stand die Frage im Raum, was für eine Art von Lok da angestampft kommt, denn zu sehen ist von ihr nicht viel. Aber auch dafür haben einige Heimaträtsler plausible Antworten.

„Das Heimaträtselfoto ist aufgenommen zwischen der Köthener Straße und der Hermann-Kasten-Straße“, schreibt Ruth Endemann auf einer Postkarte. Damit hat sie Recht. Sie führt weiter aus: „Der Weg hat keinen Namen. Von Felgeleben aus gesehen sind linker Hand Kleingärten. Wir Felgeleber haben gesagt: ‚Wir fahren an der Bahne lang.‘ Da wusste jeder, wo das war.“ Auch, dass der abgebildete Förderturm zum alten Salzschacht gehörte, weiß Ruth Endemann. Der sei, schreibt sie, 1981 abgerissen worden. „Mein Opa hat jahrelang im Schacht gearbeitet. Ich war auch mal unten. Der Schacht wurde 1972 verfüllt“, rundet Ruth Endemann ihre Zeilen ab.

Auch der an Heimatgeschichte interessierte Fritz Gruß erkennt den Förderturm, der zur Preussag gehörte, wie er am Telefon erklärt. Dass die dampfende Lok - wie in der Bildunterschrift vermutet - mit minderwertiger Braunkohle auf Fahrt ging, bezweifelt er. „Der Heizwert wäre zu gering gewesen. Diese Lokomotiven sind mit Steinkohle gefahren“, ist er sich sicher. Allerdings habe es zu DDR-Zeiten Versuche mit Kohlenstaub gegeben, da könnte dann auch Braunkohle enthalten gewesen sein. Bei der Lok könnte es sich um die Baureihe 52 handeln, vermutet Fritz Gruß.

Hartmut Schröder ist Ende der 1950er Jahre in Zens geboren. An einen Wandertag mit seiner Grundschulklasse erinnert er sich noch sehr gut. „Das muss 1965 gewesen sein“, sagt der Wahl-Eickendorfer. Damals ging es mit Lehrer Böhm und der Horterzieherin im LPG-Lkw auf Tour und zwar direkt zum Salzschacht, der da noch in Betrieb war. Und es ging hinunter auf mehr als 400 Meter Tiefe. „Ein riesen Erebnis war das. In Kavernen haben Patienten des Sanatoriums gelegen.“ Auch an die beeindruckenden Salzkristalle unter Tage kann sich Hartmut Schröder noch gut erinnern. Der Eisenbahner weiß, dass die Steinkohle damals mit Braunkohle gestreckt worden ist, denn die gute Steinkohle war knapp.

„Das ist das Saline-Gelände, nicht wahr“, fragt Viola Buchholz am Telefon an. So ganz sicher sei sie sich nämlich nicht, weiß aber, dass der Förderturm 1890 in Betrieb genommen wurde, denn: „Ich habe mich belesen.“

Werner Hilbrich berichtet, dass das Traktorenwerk das Salinegelände übernommen hat, nachdem dort die Soleförderung eingestellt wurde. Das müsse 1967 gewesen sein. „Ich war an dem Tag dabei, als der Turm gesprengt worden ist“, sagt Werner Hilbrich. Die Firma Schachtbau Nordhausen habe die Kavernen verfüllt, die auf einer Tiefe zwischen 417 bis 450 Metern lagen. „Die haben monatelang gearbeitet und das Wasser vom ‚Holländer‘ aus eingefüllt“, beschreibt es der Schönebecker. „Das hier gewonnene Salz hieß Glockensalz, benannt nach den glockenähnlichen Abbauräumen im Schacht. 32 Glocken bildeten ein Glockenfeld. Eine Glocke war etwa 14 Meter hoch. Gefördert wurde Sole, die kam dann in die Anlagen auf der Salineinsel und wurde hier verdampft.“ Übrig blieb Steinsalz. Gutes Schönebecker Steinsalz.

„Das war ja leicht“, findet Christel Altwasser. „Das ist das Salinengelände. Wenn wir zum TSV zum Baden gingen, sind wir da lang gegangen“, sagt sie. Margit Bachert hat in der Güterabfertigung am Schönebecker Güterbahnhof gearbeitet und meint. „Als alter Eisenbahner muss ich natürlich wissen, dass hier die Strecke Magdeburg -Halle abgebildet ist.“

„Rechts ist der Förderturm des Salzschachtes ‚Graf Moltke‘ zu sehen. Es wäre schön gewesen, wenn man diesen Turm erhalten hätte als Attraktion für Schönebeck“, gibt Marion Wille eine nachdenkenswerte Stellungnahme ab.

Sabine Adler schreibt in einer Email, dass der Förderturm 1980 abgerissen worden ist. Der Salzschacht habe nach seiner Stilllegung als Sanatorium gedient. „Ich persönlich war als Schülerin mit der Schulklasse dort einmal. Wir sind mit dem Förderkorb ziemlich schnell nach unten gefahren.“

Almut Neumann rätselt ein bisschen: „Ich bin der Meinung, dass das die Zugstrecke Richtung Halle/Saale ist. Mir kommt das bekannt vor, weil meine Eltern dort einen Garten hatten. Rechterhand, beziehungsweise gegenüber der Gärten, befand sich das Dieselmotorenwerk und man konnte zum Freibad über den Bahnübergang, vor dem sich die Dampflok befindet, gehen. Liege ich richtig?“ Ja... kann man so gelten lasen.

Herbert Brand wiederum lässt detailliert wissen: „Auf dem Foto handelt es sich um eine sogenannte Kriegslok, Baureihe 52, mit Wannentender auf der Fahrt mit Tender voraus von Schönebeck in Richtung Köthen? Oder Barby. Am rechten Bildrand ist der Förderturm des ehemaligen Graf-Moltke-Schachtes zu sehen. Dieser Betrieb wurde Ende der 1960iger Jahre geschlossen, der Schacht mit Sole geflutet und versiegelt.“

Die Mitarbeiter, so Herbert Brand, seien auf andere Volkseigene Betriebe (VEB) der Stadt umgesetzt worden. Der Förderturm sei 1980 gesprengt worden. „Das Foto wurde aufgenommen vom Weg zwischen der Kleingartenanlage ‚Grüne Hoffnung‘ und der Bahn. Wir erkennen auch die Fahrleitungsmasten der zweigleisigen Hauptbahn. Der Fahrdraht erreichte im Januar 1956 von Köthen kommend Schönebeck. Im Herbst des gleichen Jahres waren die beiden Reisezuggleise und das Gütergleis bis Magdeburg-Buckau elektrifiziert.“

Und jetzt wird es sogar ausgesprochen fachspezifisch: „In der Regel wurden Nah- und Durchgangs-Güterzüge in der Relation Köthen/Halle mit E-Lok BR 44 und BR 94/95 gefahren. Diese Art Güterzüge in Relation Güsten wurden mit Dampfloks der BR 50/52 und BR 44 gefahren und wenn sie nicht in Schönebeck/Elbe endeten, auf E-Loks bis Magdeburg-Buckau und Rothensee umgespannt. Das galt auch sinngemäß für den Reisezugverkehr, nur ohne Umspannung.“

Zur qualmenden Lok schreibt Herbert Brand: „Ab Schönebeck ging planmäßig ein Zug mit leeren PKP Wagen (polnische Staatsbahn) aus dem Steinkohle-Import über die Abzweigstelle Seehof, Barby und Güterglück in Richtung Osten; hier natürlich mit Dampf. Und nach der Streckenelektrifizierung galt es bei der Deutschen Reichsbahn, anders als heute, als ‚Verbrechen‘ mit Dampf- oder Diesellok unter Fahrdraht zu fahren. Übrigens konnte man auch mit minderwertigem Kohlemix (Braunkohle, Steinkohle und Anthrazit) annehmbare Leistung ohne übermäßigen Qualm gewinnen; nur der Heizer musste sein Handwerk verstehen. Meine Aussagen resultieren aus der Tätigkeit als Stellwerkswärter und Aufsicht Güterbahnhof in Schönebeck.“

Kurt Grasenack schreibt: „Rechts der Strecke stand ein Signal, hier mussten die Züge öfter halten. Dazu muss man wissen, dass die Strecke nach dem Krieg eingleisig war, auch die Oberleitung und Masten waren von der damaligen Sowjetunion als Reparationsleistungen demontiert worden. Wenn vor diesem Signal ein Kohlenzug halten musste, war er sofort umlagert, einige stiegen hoch und warfen Kohlen runter, andere sammelten sie ein. Endlich hatte man mal wieder ein warme Stube.“

Jürgen Hennenhöfer teilt mit: „Die Wiederinbetriebnahme der elektrifizierten Eisenbahnstrecke Köthen-Schönebeck erfolgte am 29. Dezember 1955. Der Förderturm der Saline am Graf Moltke-Schacht wurde am 29. November 1985 gesprengt. Im Hintergrund ist die große Halle des Dieselmotorenwerkes zu erkennen.“

Für Gabriele Pflanz ist das Bilderrätsel auch kein Problem, weil: „In der Kleingartenanlage ‚Grüne Hoffnung‘ hatte meine Oma einen Schrebergarten.“ Sie schreibt: „Ich selbst bin hier in den 1960er und Anfang der 1970er Jahren des Öfteren mit meinen Collies auf dem Weg zum Hundeplatz in Neu-Schönebeck entlang geradelt und kann erwähnen, dass es noch einen dritten Bahnübergang gab und zwar ‚Am Holländer‘. Der wurde jedoch in den 1980er oder 1990er Jahren - ich weiß es leider nicht mehr genau - abgeschafft.“ Dass der Salzschacht geschlossen wurde, mache sie immer noch wütend. „Das muss ich unbedingt noch loswerden. Bestimmt wäre Schönebeck heute um eine Attraktion reicher. Aber das ist ein anderes Thema, nur die Frage ‚warum‘ bleibt.“

Edgar Heyde weiß, dass das Gelände des ehemaligen Moltke-Schachtes nach Generalfeldmarschall Helmuth Karl Bernhard von Moltke benannt worden ist. Das Gelände gehörte später zum Dieselmotorenwerk, schreibt er.

Frank Mägdefessel bedauert, dass er das ehemalige Salzbergwerk nicht mehr besichtigen konnte. „Dafür bin ich zu spät nach Schönebeck gekommen.“ Er erwähnt: „In dieser Gegend gab es vor Jahren ein paar Unglücke. Einmal lief ein Kesselwagen aus, was einige Kleingärten unbrauchbar machte und zum anderen brannte es im damaligen Dieselmotorenwerk. Als Angehöriger der Zivilverteidigung habe ich damals eine ausgebrannte Werkhalle mit ausgeräumt. Heute ist auf diesem Gelände die Firma Thyssen-Krupp.“

Unterschiedliche Angaben gibt es also zur Sprengung des Förderturms. Was sagt das Stadtarchiv? Mathias Hille blättert nach: „Es war im März 1980“, verrät er das exakte Datum. „In der Volksstimme müsste es am 2. April 1980 gestanden haben.“

Gewonnen hat Herbert Brand. Er kann sich in der Lokalredaktion einen Biber-Ticket-Gutschein abholen.

 

Bild zur Meldung: Dampflok