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Gasthof in Zens „gut besucht, da Einwohnerschaft sehr wohlhabend ist“

21.04.2017

Mit der „Archivalie des Monats“ geben die Mitarbeiter des Archives des Salzlandkreises einen Einblick in Bestände. Die Volksstimme wird diese in Auszügen veröffentlichen.

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Beschreibung der Lebensumstände in Zens im Jahr 1894 durch den Chronisten Adolf Oerlecke

Dieser Archivalie liegt eine Momentaufnahme der Gemeinde Zens (seit 2007 ein Ortsteil der Gemeinde Bördeland) vom 21. Dezember 1894 zu Grunde. Auf vier beidseits handbeschriebenen Blättern beschreibt der Kantor, Küster, Lehrer und Organist Adolf Oerlecke unter anderem den Fortgang der Arbeiten am Kirchneubau im Ort, die Zusammensetzung des Schulvorstandes und benennt namentlich Voll- und Halbspännerhöfe*.

Einleitend beginnt er mit der Erbauung der „hiesigen Kirche … im Jahre des Heils Eintausendachthundertvierundneunzig. Die Grundsteinlegung geschah am 6. Juli, mittags 1 Uhr, ohne jegliche Feierlichkeiten.“ Die Kirche wurde auf den Mauern der alten erbaut, seiner Meinung nach aber „in schönerer und größerer Form“. Beteiligt am Kirchbau waren „der Maurermeister Förster (Calbe) und der Zimmermeister Hanke (Eickendorf) unter Aufsicht des Regierungs- und Kreisbaumeisters Creutzfeld (Groß Salze)“. Das Richtfest beging man am 19. November desselben Jahres „in feierlicher Weise“. Weiterhin berichtet Herr Oerlecke, dass mit dieser Feier auch die Grundsteinlegung erfolgte und beschreibt, wo dieser zu finden ist. Darin befindet sich eine kupferne Kapsel mit einer kurzen Chronik. Die Feier fand im Saal des Gasthofpächters Wilhelm Diesing statt, wobei sämtliche am Kirchbau befindlichen Arbeiter dort bewirtet wurden. Der Lehrer zählt anschließend alle am Bau beteiligten Maurermeister auf, die zu großen Teilen aus Großmühlingen stammten. Die Zimmerleute hingegen stammen aus „Eikendorf“, Großmühlingen und Kleinmühlingen. Die Bezahlung der Arbeitskräfte findet auch Erwähnung: „Sämtliche Maurer- und Zimmerleute bekommen täglich 2,80 M(ar)k Arbeitslohn für zehnstündige Arbeitszeit.“

Auch das Aufstellen einer neuen Orgel ist geplant. Durchgeführt werden soll es vom Orgelbaumeister Troch aus Neuhaldensleben. Zum Kirchbau schreibt er weiter: „Bis jetzt haben alle Meister … ihre Arbeit zur vollkommenen Zufriedenheit der hiesigen Einwohner ausgeführt und so Gott will, wird die Kirche im Juli des nächsten Jahres, also 1895, ihrem Dienst übergeben werden können.“ Sämtliche Kosten für den Bau der Kirche bezifferte Herr Oerlecke auf 28 000 M(ar)k.

Während der Zeit des Umbaus der Kirche (Juli 1894 bis Juli 1895) wurde der Gottesdienst in der Schule abgehalten. Der „Inhaber der jetzigen Schulstelle ist der Kantor, Küster, Lehrer und Organist Adolf Oerlecke geboren am 5. März 1864 zu Flechtingen … verheiratet mit Luise Henkel aus Wieglitz“. Seine Aufgaben bestehen darin, 54 Kinder zu unterrichten und jeden Sonntag die Predigt zu lesen.

Zens verfügt zu diesem Zeitpunkt über einen Gasthof, welcher für 1255 M(ar)k verpachtet ist. Der Meinung des Chronisten nach zeugt die hohe Pachtsumme davon, „das derselbe gut besucht wird, da im allgemeinen die ganze Einwohnerschaft sehr wohlhabend ist.“ Sogar der reichste Einwohner der Gemeinde Zens wird namentlich benannt! Abschließend wird berichtet, dass ein Gesangverein mit dem Namen „Börde“ unter der Leitung des Lehrers existiert.

*Als Vollspänner bezeichnete man einen leibeigenen Bauern, der in der dörflichen Hierarchie an erster Stelle stand und zu den größten Bauern im Dorf gehörte. Als Halbspänner bezeichnete man einen Bauern, der an zweiter Stelle stand. Seinem Grundherrn hatte er neben anderen Diensten und Zahlungen ein aus zwei Pferden bestehendes Gespann zum Pflügen oder für Fuhrdienste zu stellen. (Quelle: Wikipedia)

Quelle: Kreisarchiv des Salzlandkreises/Standort Bernburg, Bestand Gemeinde Zens, Signatur: B.29.88, Sabine Seifert, Telefon 03471) 6 84 11 60

 

Bild zur Meldung: Königliches Siegel Zens